Evidenz-basiertes Management – Entscheidungen jenseits von Bauchgefühl und Intuition

Evidenz-basiertes Management – Entscheidungen jenseits von Bauchgefühl und Intuition

Wie entscheiden Manager? Starke Intuition und solides Erfahrungswissen werden bei Managern vorausgesetzt. Nicht bei allen Entscheidungen ist es aber richtig oder empfehlenswert, sich auf eine subjektive Meinung zu verlassen – so die Ansicht der Vertreter des evidenz-basierten Managements.

1. Was ist evidenzbasiertes Management?

Evidenz-basiertes Management (EbM) ist ein Managementansatz, der davor warnt, Best Practice-Beispiele zu imitieren, populäre Management-Mythen zu reproduzieren oder lediglich intuitiv und subjektiv begründeten Einschätzungen anzuhängen.

Statt verfügbaren Heuristiken, Traditionen oder Vorbildern zu folgen, empfiehlt das EbM in der Tradition des logischen Empirismus eine pragmatische Abkehr von allen durch Bias verzerrten, schablonenhaften Vorannahmen und rät dazu, bei Managemententscheidungen ausschließlich prüfbare Kriterien zugrunde zu legen. Die Vertreter des evidenzbasierten Managements fordern, organisationale Praktiken und Entscheidungen auf der Grundlage bestmöglicher Evidenz und wissenschaftlich validierter Erkenntnisse zu treffen. Idealerweise folgen Managemententscheidungen Praktiken, deren methodischer Erfolg bereits empirisch nachgewiesen wurde. In Deutschland wird das EbM mitunter auch als beweisgestützte Unternehmensführung bezeichnet.

2. Vorläufer, Entwicklung und Ziele des EbM

EbM ging aus dem Vorläufer-Konzept der evidenzbasierten Medizin hervor. Der Begriff der evidenzbasierten Medizin entwickelte sich in den 1990er Jahren. Er beschreibt den mittlerweile etablierten medizinischen Standard, bei der Behandlung von Patienten ausschließlich evidenzbasiert zu arbeiten: Der Nachweis der Wirksamkeit einer Therapie ist zu erbringen, bevor diese eingesetzt wird.

Genau wie jedes medizinische Vorgehen und das angestrebte Resultat in einem belegbaren Zusammenhang stehen muss und der konstatierte Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Behandlung und Heilung immer nachweisbar sein soll, fordert das EbM den Nachweis von Kausalzusammenhängen zwischen Maßnahmen und ihren Effekten für betriebliche Entscheidungsprozesse ein.

Durch den Rückgriff auf wissenschaftliche Daten will das evidenzbasierte Management die Verlässlichkeit und Effektivität der Entscheidungsfähigkeit verbessern und subjektive Entscheidungsschwächen und Fehlinterpretationen durch zufällige Korrelationseffekte bei Einzelbeobachtungen ausgleichen. EbM greift dazu auf experimentelle oder statistische Methoden zurück und setzt auf den Diskurs aller von Entscheidungen mitbetroffenen Stakeholder.

Die Forderung, wissenschaftliche Methoden auf Managementansätze anzuwenden, wurde in den USA federführend von den Ökonomen der Stanford University Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton sowie Denise Rousseau, Professorin für Organizational Behaviour and Public Policy an der Carnegie Mellon University, eingebracht.

Sie gingen von der Annahme aus, dass im Unterschied zu Entscheidungsprozessen im medizinischen Bereich unternehmerische Entscheidungen vielfach nur unzureichend begründet und wissenschaftlich fundiert seien. Managemententscheidungen basierten häufig auf dem rein subjektiven Erfahrungswissen von Managern und folgten unhinterfragt Annahmen, die über veraltete oder populäre Managementliteratur verbreitet wurden. Die bis dato gängigen Managementansätze ließen eine systematische Recherche und Analyse relevanter wissenschaftlicher Studien weitestgehend außen vor. Die Analyse empirischer Studien gehörte nur selten zum Repertoire des Unternehmensmanagements.

Erhöhte Transparenz und Glaubwürdigkeit

Um die Glaubwürdigkeit, Transparenz und Objektivierbarkeit von Managemententscheidungen zu erhöhen, forderten die Vertreter des EbM, Entscheidungen anhand von Kriterien zu begründen, die durch Dritte empirisch verifizier- und nachvollziehbar sind.

Im Hinblick darauf, dass Entscheidungen des Managements in ihren Konsequenzen weit über den Horizont des Unternehmens hinausgehen und auf viele Stakeholder (Mitarbeiter, Kunden, Investoren) zurückwirken, verwiesen sie darauf, dass eine mangelhaft fundierte Entscheidungspraxis angesichts ihrer weitreichenden Folgen völlig unangemessen sei. Die EbM-Praktiker forderten ausdrücklich ein, auch die begründeten Überzeugungen der Stakeholder zu prüfen. Alle lang- oder kurzfristig von einer Entscheidung betroffenen Personengruppen nehmen bei der Entscheidungsfindung des EbM daher eine zentrale Rolle ein.

3. EbM in der Praxis – Das 6-Stufen-Modell der „Sechs As“

ASK: Fragen stellen

Das Thema oder die Problematik wird als möglichst konkrete Frage formuliert. Dabei wird auch die Relevanz des Problems kritisch hinterfragt. („Was ist der Beweis dafür, dass wir ein Problem mit unserem Logistikmanagement haben?“) Ein starkes Netzwerk aus Experten der beteiligten Fachgebiete hilft, am Feinschliff der Ausgangsfragestellung zu arbeiten.

ACQUIRE: Auffinden relevanten Daten aus unterschiedlichen Quellen und Datenbanken

Subjektive Erfahrungswerte und Überzeugungen werden tendenziell selten infrage gestellt. Es droht die Gefahr, bei der Suche nach Belegen selektiv vorzugehen und nur die Ergebnisse auszuwählen, mit der die eigene Überzeugung untermauert werden kann. Nur wer unterschiedliche Quellen zurate zieht und unterschiedliche Positionen zulässt, kann eine Situation aus unterschiedlichen Perspektiven einschätzen. Zu wichtigen Quellen für eine Entscheidungsfindung des Managements zählen:

  • Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Forschung
  • verlässliche und valide Daten der eigenen Organisation
  • speziell in Auftrag gegebene Gutachten oder Umfragen
  • relevante Daten der Stakeholder

APPRAISE: Kritische Beurteilung

Wie stark die Evidenz für eine Studie oder Analyse ist, lässt sich anhand eines Pyramidenmodells analysieren. An seiner Basis befinden sich bei Stufe 1 Expertenmeinungen, die als Einzelmeinungen im Vergleich von schwacher Evidenz sind. Ob es sich bei einer geäußerten Ansicht überhaupt um eine Expertenmeinung handelt, wird anhand der Sachkunde und Erfahrung des Meinungsträgers in einem bestimmten Bereich beurteilt.

Gängige wissenschaftliche Praxis ist, bei der Veröffentlichung von Studien sowohl die Relevanz als auch die Rigorosität der vorgelegten Analyse zu bewerten. Peer-Review-Verfahren, bei der renommierte Experten wissenschaftliche Veröffentlichungen kritisch gegenlesen und einschätzen, sollen es auch Laien ermöglichen, die vorgelegten Ergebnisse hinsichtlich ihrer „Rigorosität“, also der wissenschaftlichen Qualität und Exaktheit einer Arbeit, einordnen und hinterfragen zu können.

Auf der darüber liegenden Stufe 2 befinden sich einzelne Fallstudien oder einmalige Querschnittsanalysen, die methodisch korrekt durchgeführt wurden, aber für sich genommen nur eine Stichprobe darstellen. Auf Stufe 3 der Evidenz sind Längsschnittstudien einzuordnen, die stichprobenartig über einen längeren Zeitraum Daten erheben oder als Metaanalyse vorliegen. Um Beweiskraft der Stufe 4 zu erreichen, muss es sich bei der betrachteten Untersuchung um eine Studie handeln, bei der eine Kontrollgruppe eingesetzt wurde. In Stufe 5 wird zusätzlich ein randomisiertes Verfahren vorausgesetzt.

AGGREGATE: Verdichtung und Zusammenstellung

Die verfügbare Datenmenge muss auf die für die eigene Problemstellung relevanten Fakten reduziert und die externe und interne Evidenz in einen Zusammenhang gesetzt werden. EbM bedient sich dabei den allgemeinen, durch wissenschaftliche Verfahren gewonnenen Erkenntnissen und führt sie mit unternehmensspezifischen Fakten zusammen.

Idealerweise lassen sich die verfügbaren Daten in Linkage-Analysen verknüpfen, auf deren Grundlage evidenzbasierte Entscheidungen getroffen werden können, die auf validen Daten beruhen und das Unternehmen mit seiner spezifischen Problemlage abbilden.

APPLY: Anwendung

Verfügbare Analysen, Daten oder Studien müssen dahingehend hinterfragt werden, ob sie hinsichtlich der spezifischen Fragestellung des Unternehmens Antworten liefern oder ob sich die Ergebnisse nicht durch die individuelle Situation vor Ort ganz anders darstellen würden.

Beispielsweise werden Experimente zum Korrumpierungseffekt intrinsischer Motivation an Vorschulkindern kaum direkte Rückschlüsse darauf zulassen, ob sich Anreize durch leistungsorientierte Prämien in einem Betrieb langfristig als förderlich erweisen.

Betriebsinterne Umfragen und Analysen, beispielsweise zur Mitarbeiterzufriedenheit oder der Arbeitssicherheit, geben konkrete Auskunft über die Faktenlage vor Ort. Die verfügbaren, unternehmensspezifischen Zahlen – beispielsweise die zur Mitarbeiterfluktuation, Cost-per-Hire, Leistungskennzahlen, Krankenstand – sind stets in einen größeren, betriebs- und branchenübergreifenden Zusammenhang zu setzen. Das Management muss demnach in der Lage sein, die verfügbaren Daten für das spezifische Unternehmen und die besondere Situation des Unternehmens zu adaptieren und nutzbar zu machen.

ASSESS: Abwägen des zu erwartenden Ergebnisses in der spezifischen Situation

In der Assess-Phase wird geprüft, welche möglichen Entscheidungen hinsichtlich der konkreten Problemlage aufgrund der verfügbaren, dokumentierten Ergebnisse infrage kommen. Alle potenziellen oder tatsächlichen Veränderungen nach der Implementierung einer Maßnahme werden in dieser Phase dokumentiert.

Dem Vorbild von Kern- und Kontrollgruppen entsprechend, würde bei der kritischen Evaluation von experimentellen Umstrukturierungen in der Unternehmensorganisation langfristig beispielsweise die Produktivität von zwei Abteilungen verglichen. Wurde in einer Abteilung ein Pilotprojekt durchgeführt, während in der zweiten die Abläufe gleich blieben, lässt ein Vergleich Rückschlüsse darauf zu, ob sich die neuen Prozesse eher zu- oder abträglich auf die Produktivität einer Abteilung ausgewirkt haben.

Die faktengestützte Evaluation ist ein wichtiger Bestandteil des evidenzbasierten Vorgehens. Sie erfolgt durch eine formale Protokollierung der Beobachtungen und Ergebnisse, auf deren Grundlage die weiteren Entscheidungsprozesse beruhen. EbM hat daher im Unterschied zu anderen Managementansätzen einen stark prozesshaften Charakter. Die konstante Evaluierung der Maßnahmen macht deutlich, ob eine Entscheidung tatsächlich zu den gewünschten Ergebnissen geführt hat, und dokumentiert positive wie negative Konsequenzen.

4. Anwendungsbeispiel: EbM im Personalbereich

Das evidenzbasierte Personalmanagement erarbeitet HR-Maßnahmen anhand von quantitativen Daten aus den KPIs des Unternehmens. Es nimmt qualitative Analysen zu Wirkzusammenhängen vor, die über die kausale, zeitliche Verknüpfung von Strategien und Resultaten dokumentiert sind. Dabei werden statistische erhobene Kennzahlen – beispielsweise demografische, branchenübergreifende Analysen – mit firmenspezifischen Daten – wie einer Fehlzeitenstatistik – abgeglichen, um valide HR Konzepte zu entwickeln, zu evaluieren und zu optimieren.

Mögliche Anwendungsgebiete für evidenzbasiertes HR Management:

  • Personalführung – Führungsstilanalyse: Eignen sich flache Hierarchien, Bottom-up oder Top-down-Entscheidungsverfahren besser für das eigene Unternehmen? Was ist der effizienteste Führungsstil für den Betrieb?
  • Mitarbeitermotivation – Wie kann die Mitarbeiterzufriedenheit und –motivation gesteigert werden? Welche Maßnahmen beim Onboarding sind am effektivsten für die Mitarbeiterbindung?
  • Anreizsysteme und leistungsorientierte Vergütungssysteme: Mit welchen Mitteln kann effizient extrinsisch motiviert werden, um die Produktivität im Unternehmen zu steigern?
  • Teamzusammenstellung und –leistung: Gibt es zuverlässige Teamrollenmodelle, die der Unternehmensleitung helfen, die Leistung eines Teams zu verbessern? Lassen sich durch Diversity-Ansätze (Geschlechterheterogenität, Interdisziplinarität, Altersdiversität) Performancesteigerungen erreichen?
  • Recruiting: Welche Rekrutierungsverfahren (Auswahl der Kanäle bei der Stellenausschreibung, Online-Bewerbungsverfahren, Assessment Center, Akzeptanz der eingesetzten Auswahlverfahren) sind besonders geeignet, um langfristig die richtigen
    Personalentscheidungen im Unternehmen zu treffen?

5. Herausforderungen und Voraussetzungen des erfolgreichen EbM

EbM stellt hohe Anforderungen an die Expertise und die kognitiv-analytischen Kompetenzen der verantwortlichen Entscheidungsträger. Nicht für jede Thematik liegen bereits wissenschaftlich fundierte Studien und Statistiken vor. Die Verantwortlichen müssen komplexe Forschungsfragen mit vielen Faktoren und Variablen in für das Unternehmen relevante Teilbetrachtungen zerlegen oder sie modellhaft erweitern, um die verfügbaren Daten für das eigene Vorhaben nutzbar zu machen und die theoretischen Erkenntnisse adäquat für die eigene betriebliche Praxis umzusetzen.

Voraussetzung für ein funktionierendes EbM ist die Verfügbarkeit einer ausreichend großen Datenbasis, die eine spezifische Ausgangslage mit relevanten Daten des eigenen Betriebs konsolidiert. Die unternehmenseigene Wissensbasis muss kontinuierlich aktualisiert und Daten standardisiert auf Tages- und Quotenbasis erhoben werden. Eine möglichst breite und kontinuierliche Datenanalyse zu Vorgängen im eigenen Unternehmen (Gesprächs- und Vorgangsprotokolle, Feedback-Systeme, Ticketing, Score Cards zu den wichtigsten relevanten Kennzahlen) ist notwendig. Der Aufbau eines betriebsinternen Controllings und die Dokumentation eigener Business Case Studies sind daher wichtige Schritte bei der Implementierung eines EbM-Ansatzes.

Idealerweise übernimmt ein eigens dafür abgestellter Mitarbeiter („Staff Scholar“) die konsistente Aggregation der Daten in einer zentralen Datenbank und organisiert den Wissenstransfer zwischen allen Beteiligten. Das EbM-Wissensmanagement übernimmt die Recherche nach relevanten, aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, fordert spezielle Gutachten an und kommuniziert die eigene anwendungsorientierte Forschung und ihre Ergebnisse an die Stakeholder.

6. Management ohne moralische Grenzen?

Vertreter des EbM verwehren sich dagegen, die evidenzbasierte Praxis diene dem Zweck, hohen argumentativen Druck auf Mitarbeiter, Kunden oder die Öffentlichkeit auszuüben, um Fragen der ethischen Verantwortlichkeit an den Rand zu drängen.

Tatsächlich verweigert sich das EbM jedweden normativen Aussagen. Evidenz-basiertes Management hat das Ziel, objektiv und wertfrei die Resultate und Methoden der wissenschaftlichen Forschung in den unternehmenseigenen Diskurs einzubringen, um so willkürliche, dogmatische oder autoritär getroffene Entscheidungen zu verhindern.

Die Relevanz ethischer Überlegungen wird nicht prinzipiell ausgeklammert. Ethische Fragestellungen stellen vielmehr im Zusammenhang mit der jeweils gelebten Unternehmenskultur den Rahmen dar, in dem nach einer davon unabhängigen ebM-Analyse mögliche Handlungsempfehlungen ausgesprochen oder Managemententscheidungen getroffen werden.

Spezialisten oder T-Shaped Professionals – Was ist das Erfolgsmodell für Rechtsanwälte und Steuerberater?

Spezialisten oder T-Shaped Professionals – Was ist das Erfolgsmodell für Rechtsanwälte und Steuerberater?

Spezialist oder breites Allround-Wissen? Eigentlich ist das eine ketzerische Frage: Selbstverständlich sollten sowohl Rechtsanwälte als auch Steuerberater eine extrem breite, fundierte Basis an Kompetenzen aufweisen, aber auf ihrem eigenen Gebiet unangefochtene Spezialisten sein. Eine T-förmige Wissensgrundlage, so wurde es lange als vorteilhaft für Karriere wie auch Kundschaft propagiert. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Und die haben Vorteile.

Im Januar 2010 titelte die Webseite Business-Wissen noch „Die Vorteile von Spezialist und Generalist vereint“ und verwies mit einem wortwörtlich blumigen Beispiel (es ging um Gärtner, Rosen und von Koi bewohnte Gartenteiche) darauf, dass ein Gartenexperte mit möglichst breit angelegter Wissensbasis und einem hervorragend ausgebauten Spezialgebiet doch das einzig Wahre sei.

Die Professionals würden als Mitarbeiter zunehmend an Bedeutung gewinnen. Heute sollten sie, geht man von dem damals gegebenen Lobpreis aus, nicht nur eine Selbstverständlichkeit sein, sondern zudem auch überaus beliebt.

Dem ist nicht so, stattdessen werden neue Karrieremodelle mit mehreren Spezialgebieten gefordert. Ob man das nun als Pi-Shaped, mittelalterlichen Säulengang oder (Stichwort Erweiterung – es muss sich nicht immer um das Bewusstsein drehen) als Pilzkarriere bezeichnet, ist eigentlich egal. Aber worum geht es da?

Spezialisierung ja, aber bitte nicht nur eine

Diesmal kein Businessmagazin online, sondern ein Karriereblog. Wir schreiben August 2018, und wieder geht es darum, wie eine Karriere auf Wissen aufgebaut wird. Bitte keine T-Shaped Professionals mehr, schreibt Autorin Svenja Hofert, sondern second skilling. sie versteht darunter, dass (nicht unbedingt geradlinig) ein zweites Fachgebiet aufgebaut wird.

Der T-Shaped Professional bildet also erst einmal die Grundlage. Am Anfang der Karriere stehen immer noch Generalisten, die alles Mögliche schon einmal gemacht haben, von allem ein bisschen Ahnung haben und auf einen unglaublich breiten Erfahrungsschatz zugreifen können.

Auf einem Gebiet sind sie Spezialisten, wahre Experten. Aber mit dieser Ausstattung findet man im digitalen Zeitalter mit seinen sich schnell ändernden beruflichen Anforderungen nicht immer einen Job. Der Frust, dass eine andere Spezialisierung, ein weiteres Fachgebiet oder Zusatzqualifikationen besser wären, wächst sich schnell zu einer Depression aus.

Als Karrierecoach kennt Frau Hofert sich damit aus, weiß auch, dass hinter ihrer Annahme profunde Kenntnisse der Psychologie stehen. Ihr Rat ist einfach: Es wird ein zweites Standbein aufgebaut. Diese zweite Karriere muss weder geradlinig verlaufen, noch muss sie so völlig fern von der ersten sein. Es darf also gerne ein wenig über den Tellerrand geschaut werden, in benachbarten Disziplinen Erfahrung gesammelt werden. Oder auf ganz anderen Gebieten, die aber doch irgendwie mit der ersten Karriere in Verbindung gebracht werden können.

Es geht Svenja Hofert nicht darum, dass der Journalist, der im Feuilleton bisher nur die Theaterrubrik bedient hat, nun auch den Fußballteil der Sportseiten schreiben soll. Oder nebenbei als Freiberufler für ein Hardrock-Magazin tätig werden muss.

Sie denkt an etwas Anderes: Es geht ihr um einen Link in eine andere Branche. Wenn sich der Journalist dann beispielsweise mit Pädagogik befasst, erweitert das sein mögliches Tätigkeitsfeld weg vom Journalismus und hin zu Theater oder zu Schreibschule. Was erst einmal wie ein interessantes Hobby, ein Steckenpferd anfängt, ist letzten Endes auch die Möglichkeit, eine neue Karriere aufzubauen, sich in der bisherigen Karriere besonders zu profilieren oder schlicht die Flucht zu ergreifen. Alles ist möglich.

Durch die Exitoption wird aber wiederum mehr Zufriedenheit im Beruf generiert: Wer nicht bleibt, weil er muss, sondern weil er es kann, tut es ohnehin lieber. Frau Hofert gibt den Rat zum pilzförmigen, Pi-shaped oder m-förmigen (es muss nicht bei zwei Spezialgebieten bleiben) Karriereprofil immer noch als Karrierecoach mit psychologischem Know-How.

Steuerberater und Rechtsanwälte sind die Spezialisten bei Professional Services

Gerade bei diesen beiden Berufsgruppen ist es besonders auffällig: Sie kennen sich insbesondere mit einem speziellen Fall, einem einzigen Paragraphen oder gar einem einzelnen Abschnitt eines Paragraphen (Keine Übertreibung!) besonders gut aus, verfügen ansonsten aber eher über eine sehr breite Wissensbasis in ihrem Feld, die keine weitere Spezialisierung zulässt.

Das ist dann sinnvoll, wenn sich viele solche Spezialisten mit Spezialisten, die an ihr eigenes Gebiet direkt anschließen, in einer Kanzlei zusammenfinden. Denn dann können sie ihrem Kundenstamm gute Dienste leisten, profitieren voneinander und können im Miteinander auch mal über den eigenen Tellerrand schauen. Ob sie dabei glücklich werden, ist eine andere Frage. Voraussetzung ist natürlich, dass man sich in der Kanzlei gut versteht und sich nicht jeweils das Kissen auf dem Stuhl neidet.

Was wäre aber nun, wenn der Anwalt sich nicht nur auf Scheidungsrecht spezialisiert hat, sondern sich in Sachen Steuerrecht weitergebildet hat? Es gibt durchaus Schnittstellen zwischen den beiden Bereichen. Ähnlich sieht es im Bereich Steuerberatung aus: Wer Unternehmen in Deutschland steuerrechtlich berät, muss schon viel Wissen und Können mitbringen.

Nun entsenden Unternehmen aber auch Mitarbeiter/-innen ins Ausland, und zwar über Zeiträume von zwei bis sechs Jahren und sogar außerhalb Europas. Mitsamt deren Familien und den ebenfalls berufstätigen Lebenspartnern und -partnerinnen, die dann im Ausland steuerpflichtig sind. Oder vielleicht auch nicht, denn möglicherweise bleiben die Partner/-innen gerade aufgrund der beruflichen Situation in Deutschland … Nicht überall auf der Welt werden Ehepaare gemeinsam veranlagt. In der Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Unternehmen ergeben sich also durch das doppelte Profil (Pi-Shaped Professional) ganz neue Möglichkeiten, die der genannte Steuerberater zuvor nicht hatte.

Sinn und Unsinn liegen oft nah beieinander

Spezialistentum ist nützlich und gut, steht sich aber oft selbst im Weg. Denn nicht umsonst spricht man bei den wahren Experten oft vom Fachidioten. Wir vertreten eher die Meinung, dass Professional Services auf einer breiten Basis von Wissen und Können sowie viel Expertise ruhen sollten. Und damit es auch wirklich professionell wird, gehört das ein oder andere Fachgebiet dazu. Ob man das nun als T-förmiges, Pi-förmiges oder pilzförmiges Profil bezeichnen sollte, ist letzten Endes egal: Solange kein Spargel dabei herauskommt, ist alles in Ordnung.

Personalauswahl in kritischen Veränderungen

Personalauswahl in kritischen Veränderungen

Wer bietet sich an, große Veränderungen in Unternehmen zu gestalten und nachhaltig umzusetzen? Wer hat die passenden Ideen, die nötige Kompetenz und Erfahrung aber auch das Netzwerk und die Anerkennung in der Organisation?

In aller Regel arbeiten wir in Veränderungen nicht nur eng mit der Geschäftsführung, sondern mit einem intern besetzten Steuerungsteam zusammen. Das gehört seit längerem schon zu den empfehlenswerten Standards von Organisationsentwicklung. Doch haben wir gleichzeitig auch die Expertise, die Auswahl der Beteiligten im Prozess professioneller zu begleiten.

Langjährige Erfahrung und Verantwortung bei vielen mittelständischen Unternehmen und in deutschen Konzernen bei der Führungskräfteauswahl sind dabei ebenso hilfreich, wie ein Psychologiestudium und die Lizensierung nach DIN 33430. Auch in der Krise werden auf Basis vorab definierter Anforderungen und abgeleiteter Kompetenzen die Auswahlkriterien bestimmt. Die erfolgskritischen Bewährungsproben der Akteure aus deren Verantwortungsbereichen in der Vergangenheit geben Auskünfte über Wertehaltung, persönliche Präferenzen und Verhalten. Dennoch ist es wichtig, ähnlich wie in einem Assessment, in Einzelgesprächen und testend die Kompetenzen und Potenziale genauer zu diagnostizieren. Die Probezeit endet hier manchmal schon innerhalb der ersten Treffen im Steuerungsteam. Dabei ist auch die Passung zu den anderen Verantwortungsträgern wichtig.

Der nächste Schritt nach der Auswahl von geeigneten Vertretern (und dazu gehören nicht nur Führungskräfte) ist die Unterstützung der Gruppe, damit sie zu einem funktionalen Steuerungsteam werden. Hier geht es nicht um Events im Hochseilgarten, sondern um klar formulierte Ziele, die Einhaltung von Teamregeln und – wie wir es nennen – die Arbeit an der Zusammenarbeit. Die externe Beratung hat dabei auch Aufgaben, eine Teamentwicklung zu verstärken. Taktische Spielchen, fehlendes Vertrauen und fehlende Verantwortungsübernahme kann sich kein Steuerungsteam in der Krise oder Veränderung erlauben. Diese Entwicklung entlang der Einschätzung aus dem Auswahlprozess zu treffen, macht gezieltere Maßnahmen für uns möglich. Wir nennen dies die Brücke zwischen Auswahl und Entwicklung.

Wenn dann dieses Steuerungsteam gemeinsam mit der Geschäftsführung als Vorbilder im Wandel für alle Mitarbeitende wahrnehmbar und wirksam werden, haben wir einen wichtigen Teil unserer Beratungsarbeit getan.

Wenn Sie verstehen wollen, wie wir die Auswahl und die Teamentwicklung vollziehen, ohne dabei den Krisenmodus zu vernachlässigen, nehmen Sie gern Kontakt auf!